Eine Friseurin frisiert die Haare einer Kundin mit Lockenwicklern.

Kooperativen als Motor für Entwicklung

Im Spiegel der Veränderung

Icon einer Geldbörse auf orangem Hintergrund
In ländlichen Regionen haben viele Menschen kaum Chancen auf ein eigenes Einkommen, da es immer schwieriger wird, von der traditionellen Landwirtschaft zu leben. Um der jungen Generation neue Perspektiven zu bieten, fördert Menschen für Menschen Kooperativen und Kleinstunternehmen. Diese Initiativen sind entscheidend für die Entwicklung vor Ort: Sie schaffen Arbeitsplätze, fördern regionale Wertschöpfungsketten und stärken die lokale Wirtschaft. In unserer aktuellen Projektgeschichte erfährst du, mit welchen Geschäftsideen junge Erwachsene neue Einkommensquellen schaffen und damit einer ganzen Gemeinschaft neue Hoffnung geben.
In Äthiopien startet die Hochzeitssaison traditionellerweise im Jänner: zwischen Weihnachten, Timkat – dem höchsten Fest der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche – und der langen Fastenzeit vor Ostern. Es ist eine geschäftige Zeit. Denn in den meisten Regionen fällt diese Saison mit der großen Ernte zusammen. Die Menschen unterstützen einander beim Einbringen des Getreides, es ist eine Zeit der Gemeinschaft und im besten Fall der Üppigkeit.

Vielleicht ist es genau dieses Gefühl des Miteinanders und der Fülle, das diese Zeit so beliebt macht, um den feierlichen Bund der Ehe einzugehen. Hochzeiten im ländlichen Äthiopien sind ein großes Spektakel – Verwandte, Freund:innen reisen von weit her an und selbstverständlich sind auch sämtliche Nachbar:innen zum Fest geladen.

Natürlich ist es auch in Äthiopien üblich, dass man sich für eine Hochzeit schick macht. Vor allem die Braut besticht mit kunstvoll geflochtenem Haar, häufig mit traditionellen Schmuckstücken verziert. In Albuko mussten Bräute dafür bis vor kurzem die Reise in die knapp 40 Kilometer entfernte Stadt Dessie antreten. Seit gut einem halben Jahr jedoch gibt es dieses Angebot gleich in ihrer Nähe, im Städtchen Salmene. Dort eröffnete eine Kooperative von fünf Frauen den ersten Frisiersalon der Region – unterstützt durch das Förderprogramm von Menschen für Menschen.
Eine Frau wäscht einer anderen die Haare mit einem Krug Wasser.
Gedaminesh wäscht im Frisiersalon einer Kundin die Haare. 

Übung macht die Meisterin

Eröffnet wurde der Salon im Dezember 2024, also knapp vor der wichtigsten Saison. Für die fünf Jungunternehmer:innen eine große Chance und zugleich eine Herausforderung. „Am Anfang hatten wir noch nicht viel Erfahrung und waren bei unserer Arbeit oft unsicher“, erinnert sich Gedaminesh. „Wir hatten Angst, etwas falsch zu machen. Aber durch viel Übung wuchsen unser Selbstvertrauen und Können. Heute geht uns das Waschen und Stylen schon viel leichter von der Hand.“ Die 30-Jährige ist in der Kooperative für die Buchhaltung zuständig, doch wie alle fünf Mitglieder steht auch sie regelmäßig am Waschbecken oder am Frisiersessel. „Wir sind jeden Tag in unserem Salon, egal ob wir Kund:innen haben oder nicht“, erzählt ihre Kollegin Rabia.

Inzwischen aber bleiben die Plätze selten leer. „Unter der Woche kommen im Schnitt zwei Kund:innen am Tag, an Wochenenden sind es bis zu fünf. Am meisten ist aber an Feiertagen oder während der Hochzeitssaison los“, sagt die 20-Jährige, für die das Förderprogramm die größte Chance ihres Lebens war. Wie viele ihrer Generation, fand sie in ihrer Region keine Möglichkeit, selbstständig ein Einkommen zu erzielen: „Bevor wir das Unternehmen gegründet haben, verbrachten viele von uns die Zeit ohne eine sinnvolle Beschäftigung. Wir fühlten uns hoffnungslos und hatten keine Perspektive. Jetzt haben wir eine echte Chance bekommen, unser Leben zu verändern.

In jeder Gesellschaft bedeutet ein eigenes Einkommen mehr Selbstvertrauen, Ansehen und Respekt.

Gedaminesh, Friseurin und Buchhalterin in einer Kooperative

Eine lächelnde Frau steht vor einer Hütte, deren Wand aus rot-orangefarbenem Wellblech besteht.

Perspektiven statt Landflucht

Dienstleistungsangebote wie Frisiersalons sind für die Entwicklung ländlicher Regionen aus vielen Gründen von enormer Bedeutung. Vor allem für junge Erwachsene wie Rabia. Die Hälfte der Bevölkerung Äthiopiens ist 20 Jahre alt oder jünger. Für sie wird es zunehmend schwieriger, in der traditionellen Landwirtschaft ein Auskommen zu finden.

In der Hoffnung auf ein besseres Leben zieht es immer mehr junge Menschen in Ballungsräume. Doch auch dort finden sie keine Arbeit und sind zusätzlich mit höheren Lebenshaltungskosten konfrontiert. Deshalb setzt Menschen für Menschen genau hier an und schafft Arbeitsplätze in den entlegenen Regionen, um der jungen Generation Perspektiven zu bieten.

Mit jedem funktionierenden Kleinstunternehmen entsteht zudem eine lokale Wertschöpfungskette:
  • Ein etabliertes Unternehmen expandiert
  • Es schafft neue Arbeitsplätze
  • Langfristig entstehen zusätzliche Wirtschaftszweige.
Davon profitiert die ganze Gemeinschaft. Zum Beispiel das kleine Café, das von der neuen örtlichen Bäckerei beliefert wird, oder die Wäscherei, die ihr Waschmittel jetzt aus lokaler Produktion bezieht.

Die Unternehmensgründerinnen haben auch eine Vorbildwirkung, wie Gedaminesh erläutert: „In jeder Gesellschaft bedeutet ein eigenes Einkommen mehr Selbstvertrauen, Ansehen und Respekt. Das haben wir in den vergangenen Monaten selbst erlebt“, berichtet sie und ihre Kollegin Rabia ergänzt: „Unsere Freundinnen kommen schon jetzt zu uns und fragen, wie wir das Kleinstunternehmen gegründet haben und wie die Unterstützung durch Menschen für Menschen funktioniert hat.“

Eine Friseurin frisiert die Haare einer Kundin mit Lockenwicklern.

Starthilfe für eine bessere Zukunft

Mit deiner Unterstützung helfen wir ihnen, Kleinstunternehmen zu gründen – sei es eine Bäckerei, eine Werkstatt oder ein anderes kleines Geschäft.

Schon 31 Euro ermöglichen ein fünftägiges Training für Jungunternehmer:innen.


Kooperativen orientiert am Bedarf

Welche Art von Kooperativen oder Kleinstunternehmen gefördert wird, hängt von den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort ab. In Albuko zum Beispiel gibt es zwei Kooperativen zur Bullenaufzucht. Sie liegen noch nah an der traditionellen Landwirtschaft, sind aber bereits professionalisiert und kommen mit wenig eigenem Land aus. Manche Kooperativen orientieren sich auch am konkreten Bedarf in der Region, wie etwa die lokale Produktion von holzsparenden Öfen oder Hohlblocksteinen für den Hausbau.

Die Teilnehmenden schließen sich in Gruppen zusammen, um eine gemeinsame Geschäftsidee umzusetzen. Menschen für Menschen unterstützt die jungen Unternehmer:innen:
  • Grundlegende unternehmerische Schulungen vermitteln das nötige Wissen zur Geschäftsführung.
  • Bei Bedarf ermöglichen fachspezifische Trainings die Weiterentwicklung beruflicher Fähigkeiten.
  • Geräte, Rohstoffe und Werkzeuge werden bereitgestellt, um den Start zu erleichtern.

Die Maßnahmen werden mit den Behörden abgestimmt. Das Ziel ist die langfristige und eigenständige Entwicklung der Region. Das kann nur gemeinsam gelingen.

Berhanu Bedassa, Projektleiter in Albuko

Zwei Männer sitzen auf Holzstämmen. Einer schreibt in einen Notizblock, der andere hört ihm aufmerksam zu.
Die Gruppen werden als Unternehmen registriert und die örtlichen Behörden stellen Räumlichkeiten zur Verfügung. „Die Maßnahmen werden mit den lokalen Behörden abgestimmt“, erklärt Berhanu Bedassa, Projektleiter von Menschen für Menschen in Albuko. „Immerhin ist das Ziel die langfristige und eigenständige Entwicklung der Region. Das kann nur gemeinsam gelingen.“ Und so wird auch gemeinsam nach Lösungen gesucht, wenn Herausforderungen auftreten.

Wie etwa im Fall von Faki und seinen Kollegen, die eine Fischerei-Kooperative gegründet haben. Ihr derzeitiges Netz entspricht zwar den gesetzlichen Vorgaben, fängt aber laut ihrer Aussage zu wenig Fisch. Netze mit kleineren Maschen wären effektiver, sind aber nicht erlaubt. Daher wird gemeinsam mit der Fischereibehörde nach einem Kompromiss gesucht.

Auf Tradition aufbauen

Fakis Fischerei-Kooperative ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Maßnahmen von Menschen für Menschen an den Gegebenheiten vor Ort orientieren. Der idyllisch gelegene Mahyibar-See wird schon seit Generationen befischt. Bislang jedoch meist ohne Genehmigung oder professionelle Ausrüstung. Nun wurden neben Faki neun weitere junge Männer unter anderem in Fangtechniken geschult. Eine Sicherheitseinweisung und ein Schwimmtraining gehörten ebenso zu den Vorbereitungen, bevor sie mit einem stabilen, modernen Boot ihre Arbeit aufnehmen konnten.

Ein eigener Verkaufsraum wurde bereits eingerichtet und die Jungunternehmer blicken hoffnungsvoll in die Zukunft: „Wir haben erste Kontakte zu Restaurants in Dessie aufgenommen, die Interesse gezeigt haben. Schritt für Schritt machen wir unseren Fang so auch in größeren Städten bekannt“, erklärt Faki das Vorhaben seiner Kooperative, um langfristig ein eigenständiges und gutes Einkommen zu erzielen.
Einige Männer in orangefarbenen Schwimmwesten rudern in einem blauen Boot über den Mahyibar-See in Albuko.
Fünf von zehn Mitgliedern der Fischerei-Kooperative fischt im Mahyibar-See in der Projektregion Albuko.

In Salmene blickt man ebenso zuversichtlich auf die kommenden Monate. Der Frisiersalon der fünf jungen Frauen hat sich etabliert. „Am Anfang war es wichtig, Freund:innen, Verwandte und Nachbar:innen von unserer Arbeit zu überzeugen. Sie haben unser Angebot weiterempfohlen, zum Beispiel im Gespräch mit Bekannten oder in der Nachbarschaft. Inzwischen haben wir schon Stammkund:innen, die unsere Arbeit sehr schätzen und der Zustrom wächst weiter“, freut sich Rabia über den Erfolg des Unternehmens. Und während die Fischer den Absatzmarkt in Dessie erkunden, denken die Frauen in Salmene ans Expandieren: „Wir erhalten durchwegs positive Rückmeldungen aus der Gemeinschaft. Das motiviert uns sehr und gibt uns Kraft. Viele Leute raten uns bereits, unser Geschäft zu erweitern. Zum Beispiel, indem wir auch Kosmetikbehandlungen anbieten.

Die Kooperativen, die in Salmene und an vielen anderen Orten entstehen, sind mehr als wirtschaftliche Entwicklung. Sie sind kleine Funken, die überspringen und Neues entfachen. Gedaminesh, Rabia, Faki und ihre Kolleg:innen haben den ersten Schritt gemacht. Sie haben sich getraut und mit ihrem Mut das Fundament für neue Perspektiven geschaffen: für sich selbst, aber auch für die vielen hoffnungsvollen Menschen, die ihnen folgen werden, und für eine ganze Region mit Zukunft.

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Cover des Nagaya-Magazins 3/2025 zeigt einen jungen Mann, der auf einem Boot steht und ein Fischernetz ins Wasser hält.

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