Durch die Augen von...

Faki Hussen

Faki Hussen gibt im Interview mit Berhanu Bedassa von Menschen für Menschen Äthiopien Einblick in seinen Arbeitsalltag bei einer Fischerei-Kooperative am Mahyibar-See in Albuko. Als stellvertretender Vorsitzender ist er für die Koordination, die Organisation der Abläufe und die Einteilung der Schichten verantwortlich. Er berichtet, wie er und seine Kollegen traditionelles Wissen mit moderner Ausrüstung von Menschen für Menschen kombinieren, um das Beste aus ihrer Arbeit herauszuholen.

Ich träume davon, in Dessie ein eigenes Geschäft zu eröffnen, um dort frischen und verarbeiteten Fisch zu verkaufen.

Faki Hussen, stellvertretender Vorsitzender der Fischerei-Kooperative am Mahyibar-See

Berhanu Bedassa: Du hast schon viel Erfahrung mit der Fischerei. Kannst du uns erzählen, wie du dazu gekommen bist?

Faki Hussen: Ich bin schon früh durch meinen Vater mit der Fischerei in Kontakt gekommen. Schon als Kind begleitete ich ihn auf einem Boot aus Bambus hinaus auf den See. Bei Wind und Wellengang schwankte das Boot stark und drohte umzukippen. Fischfang war eine echte Herausforderung. Anfangs habe ich nur kleine Aufgaben übernommen, zum Beispiel habe ich die Ruder getragen oder geholfen, die gefangenen Fische nach Hause zu bringen. Aber mit der Zeit wurde mein Interesse immer größer und mein Vater hat mich auch ermutigt, selbst mit dem Fischen anzufangen. Von ihm habe ich Schritt für Schritt gelernt, wie man sich vorbereitet, wie man fischt und wie man die Fische anschließend verarbeitet und für die Familie zubereitet.

Wie sah das Fischen damals aus, als du mit deinem Vater begonnen hast?

Das Fischen mit traditioneller Ausrüstung war nicht einfach und auch nicht besonders ergiebig. Es war körperlich anstrengend und gefährlich. Vor allem am Anfang hatte ich oft Angst, mit dem wackeligen Bambusboot auf den See hinauszufahren. Aber mein Vater hat mich immer wieder ermutigt. Damals war Fisch als Nahrungsmittel kaum bekannt, und viele Menschen haben Fisch gar nicht gegessen. Deshalb hat mein Vater die Fische auch nicht verkauft, sondern nur für den Eigenbedarf gefischt.

Welche Ausrüstung nutzt ihr heute?

In unserer Kooperative arbeiten wir dank der Unterstützung durch Menschen für Menschen mit moderner Ausrüstung. Wir haben ein stabiles Boot, verwenden ordentliche Fangnetze und Ruder. Das macht unsere Arbeit einfacher, effizienter und vor allem deutlich sicherer. Durch die bessere Technik können wir heute viel mehr Fisch fangen als früher.

Gibt es Techniken oder Wissen, das du von der traditionellen Art zu fischen übernommen hast?

Auf jeden Fall! Beim Fischen kommt es in erster Linie auf den richtigen Zeitpunkt an: Wann du die Netze auslegst und sie wieder einholst, kann entscheidend sein. Auch der Ort spielt eine große Rolle: Aus Erfahrung wissen wir, dass sich die Fische eher am Rand des Sees aufhalten als in der Mitte. Und das Filetieren mache ich heute noch genauso, wie ich es damals von meinem Vater gelernt habe.

Zwischen Tradition und Potenzial

Äthiopien bietet mit 13.600 Quadratkilometer an Seen, Reservoiren und Flüssen die ideale Voraussetzung für Fischerei. Schätzungen zufolge könnten jährlich mehr als 94.000 Tonnen Fisch produziert werden. Tatsächlich gefangen wird bislang aber weniger als die Hälfte.

In der Ernährung der Bevölkerung spielt Fisch bisher kaum eine Rolle. Pro Kopf verzehren Äthiopier:innen im Schnitt nur 200 bis 250 Gramm Fisch im Jahr. In Österreich liegt der jährliche Fischkonsum bei rund acht Kilogramm pro Person.

Fischerei kann zur Ernährungssicherung beitragen und neue Einkommensquellen schaffen. Doch zahlreiche Herausforderungen bremsen den Sektor aus. Dazu gehören:
• fehlende Infrastruktur
• schwer einhaltbare Kühlketten
• kaum vorhandene Strukturen zur Vermarktung
Deshalb braucht es umfassende Ansätze und gezielte Förderung, um lokale Initiativen nachhaltig zu stärken.

Erfahre mehr darüber, wie wir junge Erwachsene dabei unterstützen, sich ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen.


Wie hat sich dein Zugang zum Fischen durch die Arbeit in der Kooperative verändert?

Vor allem durch die Schulungen, die wir alle vor dem Start der Kooperative bekommen haben. Dabei ging es um moderne Fangtechniken und auch um Sicherheitsvorkehrungen und wie man Fisch richtig verarbeitet und zubereitet. Das hat unsere Arbeit spürbar verbessert. Außerdem arbeiten wir als ein Team, unterstützen uns gegenseitig und lernen voneinander.

Welche Aufgaben hast du in der Kooperative, und wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Ich bin stellvertretender Vorsitzender der Kooperative. Zu meinen Aufgaben gehören die Koordination und die Organisation der Abläufe sowie die Einteilung der Schichten. Meist stehe ich gegen fünf Uhr morgens auf, um gemeinsam mit meinen Kollegen die Netze auszulegen. Gegen zehn Uhr holen wir sie wieder ein, verarbeiten den Fang und bereiten ihn für den Verkauf vor. Anschließend machen wir die Ausrüstung wieder bereit für den nächsten Einsatz.
Faki und seine Kollegen aus der Fischerei-Kooperative mit Projektleiter Berhanu Bedassa.

Was möchtest du in den nächsten Jahren erreichen? Mit der Kooperative, aber auch persönlich.

Derzeit fangen wir viele Fische, erzielen aber noch keinen zufriedenstellenden Marktpreis. In den vergangenen Wochen haben wir erste Kontakte zu Restaurants in Dessie aufgenommen, die Interesse gezeigt haben. Schritt für Schritt machen wir unseren Fang so auch in größeren Städten bekannt. Wir hoffen, dadurch bald bessere Preise zu erzielen, um von unserer Arbeit leben zu können. So können wir auch für andere ein Vorbild sein und zeigen, dass Fischen ein lohnender Beruf sein kann. Ich träume davon, in Dessie ein eigenes Geschäft zu eröffnen, um dort frischen und verarbeiteten Fisch zu verkaufen. Die Fischerei begleitet mich seit meiner Kindheit und ist bis heute meine größte Leidenschaft.

Das Interview führte Berhanu Bedassa vom Menschen für Menschen-Team in Albuko.

Zur Person

Faki Hussen

Faki Hussen ist 22 Jahre alt, nicht verheiratet und lebt in einem gemieteten Zimmer im Dorf Dikone. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Fischerei-Kooperative am Mahyibar-See.

Die Fischerei wurde ihm schon früh von seinem Vater nähergebracht. Faki bestreitet seinen Lebensunterhalt allein und steht oft selbst am Feuer: Am liebsten bereitet er die traditionelle Bohnenpaste Shiro zu, manchmal auch einen frisch gefangenen Fisch.
Portraitbild von Martina Hollauf, Team Menschen für Menschen Österreich

Martina Hollauf

Ihre Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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