Corona-Tagebuch

25.06.2020: „Meseret vermisst ihre Kinder, Fekadu seine Kunden.“

Corona-Tagebuch

An dieser Stelle berichtet unser Kollege Henning Neuhaus regelmäßig über die Lage in Addis Abeba sowie unseren Projektgebieten und beschreibt, wie sich der Alltag in Äthiopien aufgrund des Virus verändert.
Henning Neuhaus, der zusammen mit Muluneh Tolesa für die PR-Arbeit von Menschen für Menschen in Äthiopien zuständig ist, lebt seit 2018 in Addis Abeba und ist dort einer von nur drei nicht-äthiopischen Mitarbeitern im Project Coordination Office (PCO). Der Großteil der MitarbeiterInnen des Büros in Addis Abeba arbeitet mittlerweile aus dem Homeoffice.

Man hat inzwischen das Gefühl, dass sich die meisten Menschen in Äthiopien mit der neuen „Corona-Normalität“ abgefunden haben. Wie schon oft erwähnt, muss das Leben trotz der schwierigen Situation weitergehen. Trotzdem möchte ich heute über zwei Schicksale berichten, die repräsentativ dafür stehen, wie Covid-19 das Leben von vielen Menschen in Addis Abeba in vielerlei Hinsicht erschwert hat.

Wie viele hier in Addis haben auch wir in unserem Haus eine Haushälterin, die ab und zu kommt. Meseret ist Mitte 30 und hat vier Jahre lang als Zimmermädchen in einem Luxushotel in Dubai gearbeitet. Mittlerweile ist die alleinerziehende Mutter zurück in ihrer Heimat und zieht hier ihre zwei Söhne groß. Eigentlich ist Meseret immer eine Frohnatur, die viel lacht und immer gut gelaunt ist.

Die Sehnsucht nach den Kindern ist groß

Letztens jedoch kam sie morgens zu uns und sah sehr traurig aus. Auf die Frage, was denn los sei und ob es ihr gut gehe, erzählte sie, dass sie ihre beiden Kinder schon seit März nicht mehr gesehen habe. Sie fing an zu weinen und sagte, dass sie ihre Kinder zu ihrer Mutter aufs Land gebracht hat, als das Coronavirus in Addis ausbrach, um sich und ihre Kinder zu schützen. Zwar telefoniert sie täglich mit ihren Kindern, jedoch ist die Sehnsucht groß und sie weiß nicht, wann sie ihre Söhne das nächste Mal sehen wird.

Auch Fekadu, ein befreundeter Taxifahrer, leidet unter der aktuellen Situation. Seine wichtigsten KundInnen sind Expats, die er schon seit mehr als 20 Jahren durch Addis fährt. Fekadu ist immer pünktlich und ein sehr zuvorkommender Mann. Letztens habe ich ihn angerufen, weil ich bei einem Bekannten auf einen Drink vorbeigeschaut habe. Ich hatte Fekadu schon lange nicht mehr gesehen und erkundigte mich, wie sein Geschäft in den letzten Monaten während Covid-19 gelaufen ist.
Ein Bild aus früheren Zeiten: Die für Addis so typischen blauen Taxis vermissen heute ihre KundInnen.

„Actually, the business is not fine.”

„Business is fine, Henning“, sagte er kurz und wir schwiegen uns für fünf Minuten an. Dann jedoch drehte er sich zu mir und sagte: „No, actually the business is not fine.“ Er berichtete, dass viele seiner StammkundInnen das Land nach Ausbruch von Covid-19 verlassen haben.

Vor Corona brachte Fekadu auch Kinder von Expats morgens zur Schule und holte diese wieder ab. Da die Schulen schon seit März geschlossen sind, gibt es auch diese Einkommensquelle nicht mehr. Früher musste Fekadu sogar manchmal Gästen absagen, da er so viele Fahrgäste und Termine hatte. Nun freut er sich über jeden Fahrgast, den er noch hat und der ihn anruft.
- Henning Neuhaus, Menschen für Menschen, aus Addis Abeba
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