
Durch die Augen von…
Yilma Taye
Wie bleibt eine Organisation in bewegten Zeiten wirksam und zuversichtlich? Landesrepräsentant Yilma Taye spricht über ein Jahr, das geprägt war von Herausforderungen und großen Hoffnungen.
Was waren 2024 aus deiner Sicht die größten Herausforderungen und wichtigsten Erfolge für Menschen für Menschen, aber auch für dich persönlich?
Yilma Taye: Das vergangene Jahr brachte zahlreiche Herausforderungen mit sich: vor allem die angespannte Sicherheitslage und die damit verbundenen Einschränkungen in der Projektarbeit. Auch die hohe Inflation hatte spürbare Auswirkungen. In meinem persönlichen Arbeitsfeld bedeutete das, mit viel Flexibilität zu reagieren und Prioritäten immer wieder neu zu bewerten. Trotz der Unsicherheiten haben unsere Teams mit großem Engagement weitergearbeitet und wichtige Fortschritte erzielt. Zum Beispiel die Wiederaufnahme pausierter Projekte, die stärkere Einbindung klimaresistenter landwirtschaftlicher Methoden oder die Ausweitung unserer Maßnahmen in den Bereichen Wasser und Gesundheit.
Wie hat sich die Sicherheitslage in der letzten Zeit entwickelt, insbesondere in den Projektregionen?
Insgesamt bleibt die Sicherheitslage in Äthiopien fragil. Gleichzeitig beobachten wir in einigen Projektregionen spürbare Verbesserungen, wie beispielsweise in Jeldu und Dano. Dort sind wir vorsichtig optimistisch und können wieder mit etwas mehr Zuversicht planen. Dennoch bleibt es notwendig, unsere Arbeit in den Regionen flexibel zu gestalten, um auf mögliche Entwicklungen schnell und angemessen reagieren zu können. Dabei haben wir stets die Sicherheit der Menschen im Blick.
Welche Schritte sind in Jeldu nach der sicherheitsbedingten Unterbrechung geplant?
Wir nehmen derzeit schrittweise zentrale Infrastrukturprojekte wieder auf. Aktuell stimmen wir uns mit allen Beteiligten ab, um den Bedarf neu zu bewerten und die Maßnahmen entsprechend zu priorisieren. Ziel ist es, pausierte Schulbauten und Wasserprojekte zügig fertigzustellen. Im Projektbüro in Jeldu arbeitet derzeit wieder ein kleines Team, das in einem nächsten Schritt erweitert werden soll.
Die Menschen in Jeldu waren mit einer angespannten Sicherheitslage konfrontiert. Wie hat sich das auf ihren Alltag ausgewirkt? Und wird es künftig auch Angebote zur psychosozialen Unterstützung geben?
Die unsichere Lage hat den Alltag der Menschen stark beeinträchtigt: Der Zugang zu Märkten war nur eingeschränkt möglich, Schulen blieben geschlossen, die medizinische Versorgung war unterbrochen und Menschen wurden aus ihren Dörfern vertrieben. Diese Erfahrungen haben bei vielen tiefe seelische Spuren hinterlassen und bestehende Traumata weiter verstärkt. Derzeit prüfen wir, wie wir die psychosoziale Unterstützung künftig in unsere Arbeit integrieren können.
Was mir besonders Zuversicht gibt, ist die unerschütterliche Kraft und Motivation der Menschen vor Ort.
Yilma Taye, Landesrepräsentant von Menschen für Menschen in Äthiopien

Auch internationale Krisen beeinflussen die Lage in Äthiopien. Welche Auswirkungen haben sie auf die wirtschaftliche Situation allgemein und die Projektarbeit im Speziellen?
Die Folgen globaler Krisen sind in Äthiopien deutlich spürbar, vor allem durch stark gestiegene Preise für Nahrungsmittel, Dünger, Treibstoff, Medikamente und Baumaterialien. Diese Preissteigerungen verschärfen die Armut, insbesondere in ländlichen Regionen: Viele Menschen können sich beispielsweise keinen Dünger mehr leisten, was zu geringeren Erträgen führt. Gleichzeitig wird der Zugang zu wichtigen Dienstleistungen erschwert. Auch unsere Projektarbeit ist davon betroffen, insbesondere durch stark gestiegene Kosten und die erschwerte Beschaffung im Rahmen von Infrastrukturprojekten.
Auf welche Strategien setzt Menschen für Menschen, um die Auswirkungen zu minimieren?
Wir konzentrieren uns darauf, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinden zu stärken. Das bedeutet, dass wir in Lösungen investieren, die von der Gemeinschaft selbst getragen werden, wie etwa den Ausbau nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden. Gleichzeitig geht es darum, die Abhängigkeit von externen Ressourcen zu verringern, unter anderem durch die Förderung lokaler Kleinstunternehmen und alternativer Einkommensquellen. Unser Ansatz bleibt bewusst flexibel, um auf wirtschaftliche oder ökologische Ausnahmesituationen rasch reagieren zu können.
Wasserversorgung ist ein zentrales Thema der Arbeit von Menschen für Menschen. Welche Projekte konntet ihr zuletzt umsetzen?
Derzeit liegt unser Schwerpunkt auf Tiefbohrungen und dem Bau von Flachbrunnen. In den vergangenen Jahren konnten wichtige Projekte zur Versorgung ganzer Städte begonnen oder abgeschlossen werden, wie beispielsweise in Ijaji, Busa, Seyo oder Jarre. Darüber hinaus setzen wir gezielt Maßnahmen in besonders dürregefährdeten Regionen im Osten und Südosten Äthiopiens um. Eine gesicherte Wasserversorgung verbessert nicht nur die Gesundheit, sondern entlastet vor allem Frauen und Mädchen, die bislang oft lange Wege zurücklegen mussten, um Wasser zu holen.
Mit welchen technischen oder organisatorischen Herausforderungen ist die Umsetzung solcher Großprojekte verbunden?
Das zerklüftete Gelände Äthiopiens stellt eine technische Herausforderung dar, die den Bau von Wasserleitungssystemen erschwert. Bei größeren Versorgungssystemen, die auf Grundwasser angewiesen sind, ist es zudem oft schwierig, ergiebige Standorte für Brunnenbohrungen zu finden. In manchen Fällen liegt die Erfolgsquote bei Bohrungen nur bei rund 25 Prozent, das heißt: Nur eines von vier Bohrlöchern liefert tatsächlich ausreichend Wasser. Das zeigt, wie wichtig eine gründliche Untersuchung mithilfe moderner Messverfahren bereits vor dem Bohrbeginn ist. Hinzu kommt, dass Wasserversorgungssysteme zunehmend teurer werden, vor allem aufgrund der technischen Komponenten, deren Preise stark von globalen Entwicklungen abhängen.

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Im vergangenen Jahr wurden zwei neue Maßnahmen in die reguläre Projektarbeit aufgenommen: der Einsatz von Wurmkompost und die gezielte Förderung von Kleinstunternehmen. Welche Erfahrungen konntet ihr bisher damit sammeln?
Die Einführung von Wurmkompost hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Bäuerinnen und Bauern berichten von verbesserter Bodenqualität und spürbar höheren Erträgen. In einem Land wie Äthiopien, in dem chemischer Dünger oft unerschwinglich ist, bietet Wurmkompost eine kostengünstige und umweltfreundliche Alternative. Die Methode hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass sie sich mittlerweile über den direkten Austausch unter den Familien verbreitet.
Auch die Förderung junger Unternehmer:innen zeigt erste positive Ergebnisse. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit sind neue Einkommensmöglichkeiten jenseits der Landwirtschaft essenziell. Erste Erfahrungen zeigen, dass die jungen Menschen ihre Ideen engagiert und mit viel Kreativität umsetzen.
Auch die Förderung junger Unternehmer:innen zeigt erste positive Ergebnisse. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit sind neue Einkommensmöglichkeiten jenseits der Landwirtschaft essenziell. Erste Erfahrungen zeigen, dass die jungen Menschen ihre Ideen engagiert und mit viel Kreativität umsetzen.
Was gibt dir persönlich nach den Herausforderungen der vergangenen Jahre Hoffnung?
Herausforderungen stärken die persönliche Widerstandskraft. Was mir besonders Zuversicht gibt, ist die unerschütterliche Kraft und Motivation der Menschen vor Ort. Trotz aller Widrigkeiten sind sie bereit zu lernen, Neues aufzubauen und daran zu wachsen. Hoffnung gibt mir auch das große Engagement unserer Mitarbeitenden sowie die Unterstützung durch unsere Partner:innen und Unterstützer:innen weltweit. Ich bin überzeugt: Gemeinsam können wir nachhaltige, positive Veränderungen schaffen!


Zur Person
Yilma Taye
Yilma Taye begann seine Tätigkeit bei Menschen für Menschen im Jahr 1991 im Erer-Tal, dem ersten Projekt der Organisation. Später arbeitete er als Leiter der Abteilung Agrarökologie und als Projektleiter in den Regionen Midda und Merhabete. Im Jahr 2002 wechselte er als Programmmanager in das Projektkoordinierungsbüro in Addis Abeba. Seit 2021 ist er Landesrepräsentant der Organisation in Äthiopien.
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