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Die österreichische Botschafterin in Äthiopien, Dr. Simone Knapp, begrüßt Berhanu Nega, Bildungsminister von Äthiopien, mit einem Händedruck

Durch die Augen von...

Dr. Simone Knapp

Starke Frauen mit besonderer Willenskraft

Sie haben erst kürzlich die Region Tigray besucht, wo die Menschen von den verheerenden Folgen des Krieges betroffen sind. Gibt es eine Begegnung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Dr. Simone Knapp: Ich traf in einem Krankenhaus in Mekelle eine junge Ärztin, die mich sehr beeindruckt hat. Sie zeigte so viel Mut und starken Willen, den Kranken und Verwundeten zu helfen. Vor allem mit den wenigen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Äthiopierinnen sind starke Frauen mit einer besonderen Willenskraft. Das ist sehr bewundernswert.

Sie sind seit rund zwei Jahren österreichische Botschafterin in Äthiopien. Welche Aufgaben sind damit verbunden und welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?

Als Botschafterin vertrete ich die politischen und wirtschaftlichen Interessen Österreichs im und gegenüber dem Gastland. Ich bin somit Übersetzerin zwischen den Ländern, stelle die österreichischen Interessen dar und erkläre umgekehrt die Positionen und Sichtweisen Äthiopiens in Österreich. Heuer feiern wir das 60-jährige Bestehen der österreichischen Botschaft in Addis Abeba mit verschiedenen Kulturaktivitäten. Ich finde, dass kultureller Austausch immer verbindet.

Viele Themen der jüngsten Zeit – wie etwa der Klimawandel oder die Pandemie – zeigen uns, dass Herausforderungen oft keine Grenzen kennen. Was braucht es in der Zusammenarbeit zwischen Ländern wie Österreich und Äthiopien, um diesen zu begegnen?

Wir benötigen einen Austausch und Dialog auf verschiedenen Ebenen zwischen den Ländern. Dabei geht es zuerst um das gegenseitige Verstehen und Anerkennen der verschiedenen Betroffenheit. Erst wenn ich weiß, welche Prioritäten sich ein Land selbst setzt, kann ich gut mit diesem zusammenarbeiten. Ein Beispiel ist die Pandemie. In einem Land wie Äthiopien spielt sich das Erwerbsleben Großteils draußen ab, arbeiten im Home-Office, wie etwa in Österreich, war hier schlichtweg nicht möglich. Die Menschen waren außerdem bereits vor COVID tagtäglich mit zahlreichen schweren Krankheiten, wie z.B. Malaria, konfrontiert, die zu vielen Sterbefällen führen. So stand das wirtschaftliche Überleben, nicht die Gesundheit, im Vordergrund. Denn wer nicht arbeitet, kann mangels Einkommen seine Familie nicht versorgen.
Die österreichische Botschafterin in Äthiopien, Dr. Simone Knapp, begrüßt Berhanu Nega, Bildungsminister von Äthiopien, mit einem Händedruck
Dr. Simone Knapp besuchte anlässlich der Feierlichkeiten seines 30-jährigen Bestehens das Agro-Technical and Technology College (ATTC) in Harar. Hier im Bild mit Äthiopiens Bildungsminister Berhanu Nega.
Wie viele Länder ist auch Äthiopien noch von den Folgen der Pandemie betroffen. Hinzu kommen Konflikte und Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen. Wie wirken sich diese zahlreichen Herausforderungen auf die Entwicklung der Gesellschaft im Generellen und auf die gesellschaftliche Stellung der Frauen im Besonderen aus?

Diese Entwicklungen der letzten Jahre haben die zuvor erzielten Fortschritte in der Armutsbekämpfung teilweise wieder rückgängig gemacht. Davon sind vor allem Frauen betroffen. Die schwierige wirtschaftliche Situation treibt Frauen in noch größere Abhängigkeiten und oft auch in die Prostitution. In Konfliktsituationen haben wir außerdem eine massive Zunahme von sexueller Gewalt gegen Frauen erlebt. Dies hat große Auswirkungen auf eine ganze Gesellschaft. Gleichzeitig gibt es auch andere interessante Dynamiken, wie in der Region Borena im Süden des Landes. Dort hat der Verlust von Rindern und Kühen durch die Dürre dazu geführt, dass Frauen mit ihrem kleinen Einkommen aus Mikroprojekten in der Familie und im Dorf an Status gewonnen haben.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation von Frauen und Mädchen in Äthiopien ein, und welche regionalen Unterschiede müssen dabei unbedingt beachtet werden?

In Äthiopien gibt es gute Gesetze und Politikvorgaben zum Schutz von Frauen und Mädchen und zur Gleichstellung der Geschlechter. Leider mangelt es oft noch an der Umsetzung. Es gibt große Unterschiede zwischen den Regionen, aber auch zwischen Stadt und Land. Regional gibt es zum Beispiel große Unterschiede bei der weiblichen Genitalverstümmelung, die in den Regionen Somali und Afar noch in vielen Fällen und in ihrer schlimmsten Form praktiziert wird. Wirtschaftlich gesehen haben Frauen in den Städten oft die Möglichkeit, als Kleinunternehmerinnen, wenn auch im informellen Sektor, tätig zu sein und so ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. In den Dörfern verrichten Frauen meist unbezahlte Hausarbeit.

Welche Errungenschaften im Hinblick auf die Förderung von Frauen in Äthiopien konnten in den vergangenen Jahren beispielsweise erzielt werden?

In den letzten Jahren hat sich der Zugang zu Bildung für Mädchen deutlich verbessert. Auch der Rückgang der Müttersterblichkeit und der Kindersterblichkeit ist ein großer Erfolg. Für die Frauenförderung sind das besonders wichtige Fortschritte. Österreich hat hier durch die Unterstützung von Basisdienstleistungen für die Menschen, wie Zugang zu Gesundheitsversorgung, Schulen und sozialer Nothilfe seit Jahren viel dazu beigetragen. Österreich unterstützt auch Projekte in ländlichen Gemeinden, das trägt zur Einkommensschaffung und Ernährungssicherheit bei und ist damit ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung der Frauen.

Äthiopien ist Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Gibt es ein Projekt, das Sie für besonders innovativ und zukunftsträchtig halten?

Mit einem Projekt, das in besonderer Weise auch für den Fortschrittswillen Äthiopiens steht, unterstützten wir gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Unternehmen in den Gewerbegebieten dabei, die Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben zu verbessern. Da in den Textilbetrieben 90 Prozent der Beschäftigten Frauen sind, kommt das auch ganz konkret ihnen zugute. Im Rahmen des Projekts werden unter anderem Kurse für Frauen angeboten, um sie in ihren eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu stärken. Die Unternehmen profitieren von einer besseren Produktivität und die Frauen erhalten die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben durch einen guten Arbeitsplatz.
Portrait von Dr. Simone Knapp

Zur Person

Dr. Simone Knapp ist seit Juli 2022 österreichische Botschafterin in Äthiopien und in ihrer Funktion auch bei der Afrikanischen Union und IGAD (Intergovernmental Authority on Development), sowie Uganda, Dschibuti, Südsudan und Kongo (Brazzaville) mitakkreditiert. Zuvor leitete die promovierte Politikwissenschafterin die Abteilung für bilaterale und regionale Programmierungsangelegenheiten in der Sektion für Entwicklungszusammenarbeit des österreichischen Außenministeriums in Wien.
Martina Hollauf von Menschen für Menschen

Martina Hollauf

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zwei äthiopische Frauen bei der Hausarbeit. Eine im Vordergrund schneidet Zwiebeln auf einem Brett und im Hintergrund hält eine Frau ein Baby im Arm und blickt auf eine traditionelle Feuerstelle
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