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Familienvater Lechisa mit seiner Familie vor seinem neuen Holzhaus in äthiopien

Wenn sich das Blatt wendet

Auf in ein neues Leben

Mann im Feld in Äthiopen in einem Äthiopienausschnitt
Wer an Äthiopien denkt, dem kommt in vielen Fällen weites, trockenes Land in den Sinn, wo die Hitze Mensch und Tier zu schaffen macht. Tatsächlich ist Äthiopien mit seiner einzigartigen Topografie aber ein sehr vielfältiges Land und zudem 13 Mal so groß wie Österreich. Logisch, dass die Unterschiede im Land am Horn von Afrika um ein Vielfaches ausgeprägter sind als zwischen Arlberg und Neusiedlersee.

Da wäre das eine Extrem, die Danakil-Senke, die etwa 125 Meter unter dem Meeresspiegel liegt und insbesondere für Schwefelseen und Salzwüsten bekannt ist, wo bei brütenden Temperaturen und in Schwerstarbeit Salz abgebaut wird. Das andere Extrem befindet sich nur rund 230 Kilometer Luftlinie entfernt: der Ras Dashen – mit seinen über 4.500 Metern höchster Berg Äthiopiens inmitten des Weltnaturerbes Simien Mountains. Tatsächlich liegt rund die Hälfte der Landesfläche höher als 1.200 Meter, weshalb Äthiopien auch als „Dach Afrikas“ gilt, wo es mitunter auch empfindlich kalt werden kann.
Äthiopische Landschaft
Unsere Projektregionen liegen im Hochland Äthiopiens. Bis zu 3.200 Meter erreicht zum Beispiel das Hochplateau in Jeldu.
So auch in den Projektregionen von Menschen für Menschen Österreich, die sich über das Hochland nordwestlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba erstrecken. In der Region Jeldu zum Beispiel, erreicht das Hochplateau eine Höhe von bis zu 3.200 Metern. In den Morgenstunden ziehen hier dichte Nebelfäden durch die Landschaft und die Menschen wickeln sich in dicke Decken, um sich vor der feuchtkalten Luft zu schützen. Einer von ihnen ist Lechisa, der mit seiner Frau Taytu und drei kleinen Kindern in einer – auf den ersten Blick – äußerst schlichten Hütte lebt. Tatsächlich aber ist der etwas wackelig anmutende Bau aus Eukalyptus-Stämmen schon eine immense Bereicherung im Leben der Familie.
Äthiopische Familie vor schlichter Holzhütte
2020 teilt sich die Familie diese kleine Hütte, die aus einem einzigen Raum besteht. Nur ein Jahr später hat sich viel verändert: 
Äthiopische Familie vor neuem Holzhäuschen mit Blechdach
Das neue Häuschen der Familie hat jetzt eine getrennte Küche und auch die Hühner sind ausgezogen. Der ganze Stolz ist das schützende Blechdach.

Kein gutes Leben

Als Projektleiter Gebeyehu die Familie im Herbst 2020 erstmals besucht, sieht die Lage nochmals schlimmer aus: Lechisa und seine Familie lebt in einem kleinen Tukul – so der Name der kleinen runden Hütten – das der Familie kaum Schutz vor der Witterung bietet und auch sonst nichts mit einem heimeligen Zuhause gemein hat. Durch das strohbedeckte Dach regnet es in die Hütte, die nur aus einem einzigen Raum besteht, der auch als Stall für die drei mageren Hühner dient. „In diesem Raum leben und schlafen wir zu fünft“, erzählt Lechisa damals. „Ich kann mir keine Möbel leisten, also schlafen wir auf Planen, die wir auf dem Boden ausbreiten. Auch unsere Feuerstelle zum Kochen haben wir hier eingerichtet.“ Viel gekocht wird aber ohnehin nicht, denn die Ernährung ist ein tägliches Problem, das sich im Leben der Familie auftut: „Wir haben viel zu wenig zu Essen und vor allem unsere Kinder leiden darunter. Sie sind sehr oft krank, weil wir ihnen nur eine Mahlzeit am Tag geben können, die meist aus gerösteten Körnern besteht“, beschreibt Lechisa seine größte Sorge. Als Tagelöhner hat es der junge Vater ohnehin schwer, doch seit der Pandemie findet er erst recht keine Arbeit und versucht die Familie mit Feldarbeit für andere Bauern über die Runden zu bringen.
Mutter mit ihren Kindern in dunkler äthiopischer Küche bei offenem Feuer
Früher kochte Taytu auf offenem Feuer in der kleinen Hütte, wo die Familie auch schlief.
Frau in Äthiopien lacht neben ihrem neuen holzsparenden Ofen
Heute hat sie einen geschlossenen, holzsparenden Ofen, der in einem kleinen Anbau steht.

Das Blatt wendet sich

Die Situation wirkte aussichtslos, doch das Blatt begann sich im Herbst 2020 zu wenden: Lechisa erfuhr von einem Entwicklungsberater von Menschen für Menschen von den verschiedenen Maßnahmen, die in der Region durchgeführt werden. Seine Frau und er ergriffen die Chance und besuchten Kurse zum Gemüseanbau, lernten in Trainings, welche Schritte sie für ein gesünderes Leben in ihrem Heim setzen können und erhielten zudem eine Schar Hühner inklusive Aufzuchtkurs.
Nur ein Jahr später wachsen auf Lechisas Hof nun rote Rüben, die den Kindern wichtige Vitamine liefern. Auch eine für Äthiopien sehr typische Pflanze hat in den Speiseplan Einzug gehalten: Ensete, auch falsche Banane genannt. Die Stauden sind allgegenwärtig und gehören zum Landschaftsbild wie die Lehmhütten und Schotterwege. Die Kunst, daraus ein schmackhaftes Mahl zu bereiten, wird jedoch nur von wenigen in der Region betrieben. Dabei hat Ensete durchaus das Potential, entscheidend zu Ernährungssicherheit beizutragen. Und das nicht nur in Äthiopien, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt.

Falsche Banane – richtige Ernährung

Menschen für Menschen führt seit vielen Jahren Kurse im Anbau und der Nutzung von Ensete durch. Bei der „Ernte“ werden von den Stammblättern Fasern abgeschabt, die anschließend fermentiert und zu Mehl verarbeitet werden. Dieses wird zum Beispiel mit Weizenmehl vermischt zu Injera, einem großen Fladen, der in Äthiopien als Grundnahrungsmittel gilt, wie in Österreich das tägliche Brot. „Wir haben bei uns jetzt 38 Ensete-Stauden gepflanzt. Außerdem nutze ich ein Feldstück meines Nachbarn, um Gemüse anzubauen. Einen Teil davon erhält seine Familie, einen Teil davon verkaufe ich. Damit habe ich im vergangenen Jahr 1.000 Birr verdient“, freut sich Lechisa über die ersten wichtigen Schritte auf dem Weg in ein besseres Leben.
Mann in Äthiopien erntet Ensete
Noch sind Lechisas „falsche Bananen“ klein, aber schon bald wird er daraus Mehl gewinnen können.
Mehr als 100 Millionen Menschen könnte der Einsatz der „falschen Banane“ Ensete Ernährungssicherheit bieten. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie von Forscher:innen aus Äthiopien bzw. Großbritannien. Sie untersuchten das Potential zur weiteren Verbreitung der Pflanze über die Grenzen Äthiopiens hinaus, wo sie vor allem im Südwesten ein Grundnahrungsmittel darstellt. Im südlichen und östlichen Afrika wären demnach die klimatischen Bedingungen für den Anbau von Ensete geeignet. Insbesondere in den Monaten vor der Erntezeit – wenn die Getreidespeicher leer und viele Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind – könnte der Anbau von Ensete ihnen Ernährungssicherheit bieten.
Neben der Ernährung hat sich noch viel Weiteres im Alltag der Familie verändert. Zuallererst sticht dabei das neue Häuschen heraus: Aus dem einst so winzigen Tukul mit Strohdach ist eine anständig gebaute Hütte mit ausreichend Platz entstanden. Der ganze Stolz des Familienvaters ist das neue Blechdach, das sicher vor Regen schützt. Leisten konnte sich Lechisa diese wichtige Veränderung durch das Zusatzeinkommen aus dem Gemüseverkauf.

Auch sonst gleicht das Häuschen heute mehr einem Zuhause als früher: Es gibt eine separate Küche, wo nunmehr ein „grüner“ Ofen steht. Durch die geschlossene Form des Ofens braucht Taytu nur noch etwa halb so viel Brennmaterial als beim Kochen auf der offenen Feuerstelle. Zudem entwickelt sich weniger Rauch und der Ofen ist erhöht aufgestellt, sodass sich die Kinder nicht so leicht verletzen können. Taytu spart dadurch auch viel Zeit, da sie nicht mehr stundenlang mit dem Sammeln von Brennholz beschäftigt ist. Auch die Quellfassung, die in der Nähe ihres Dorfes gebaut wurde, entlastet die Mutter in ihren täglichen Aufgaben. Die so gesparte Zeit und Kraft hat Taytu in einen Hühneraufzuchtkurs von Menschen für Menschen investiert.

Ich wünscht‘ ich hätt‘ ein Huhn

Auf dem Hof tummeln sich nun neun Hühner mehr – plus ein Hahn – die Taytu von Menschen für Menschen erhalten hat. Die Hühner legen im Vergleich zu den regional üblichen mehr Eier, die einerseits zu einer ausgewogeneren Ernährung beitragen und andererseits ein kleines Zusatzeinkommen ermöglichen. Denn die Eier erzielen auch am Markt einen höheren Preis. Selbstverständlich sind die Hühner auch aus dem Wohn- und Schlafraum der Familie ausgezogen – ein wichtiger Aspekt der Hauswirtschaftsschulungen, die von Sozialarbeiter:innen von Menschen für Menschen durchgeführt werden. Die Nutztiere sind in einem eigenen Stall untergebracht und werden gemeinschaftlich von der Familie versorgt.
Frau in Äthiopien mit ihren Hühnern
Neun Hühner und einen Hahn hat die Familie von Menschen für Menschen erhalten. In einem Kurs hat Taytu alles über die richtige Pflege und Aufzucht der Tiere gelernt.
Lechisa und seine Frau blicken zufrieden auf das bisher Erreichte. „Das Wichtigste, was wir von Menschen für Menschen erhalten haben, ist die Motivation“, fasst Lechisa seine Erfahrungen zusammen. „Die Kurse haben mich inspiriert und ich will jede Chance nutzen, um das Leben meiner Familie zu verbessern.“

Aktuell arbeiten die Eltern mit Eifer daran, ihr Heim auszustatten. Denn so viel sich auch verändert hat, entscheidendes fehlt noch im Haus: Sitzgelegenheiten und ein Bett, um sich nach getaner Arbeit auch mal ausruhen zu können. Mit all dem Einsatz, den Lechisa allein im letzten Jahr an den Tag gelegt hat, dürfte es aber nur noch eine Frage der Zeit sein, ehe er und seine Frau Gästen voll Stolz einen Platz zum Verweilen anbieten können.

Mehr über die Arbeit in der Region Jeldu lesen erfährst du hier.

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Cover des Nagaya Magazins 1/2024 zeigt zwei äthiopische Frauen. Eine im Vordergrund, die Zwiebeln schneidet und eine im Hintergrund mit einem Baby im Arm, die vor einer traditionellen Feuerstelle steht

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Eine äthiopische Frau am Markt hält ein Säckchen voll grüner Kaffeebohnen in der Hand
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Zeritu und ihre Tochter stehen vor ihrer Hütte im Hochland von Albuko.
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