Portrait von Valerie Huber

Durch die Augen von...

Valerie Huber

Die Schauspielerin, Autorin und Aktivistin Valerie Huber spricht im Interview mit Martina Hollauf von Menschen für Menschen Österreich über ihr aktuelles Buch „FOMO Sapiens – Verpassen wir die heile Welt?“ und darüber, wie wichtig gesellschaftlicher Zusammenhalt ist, um echte Veränderungen zu bewirken.

Martina Hollauf: Einer der zentralen Sätze in deinem Buch lautet: „Mensch sein kann ich nicht allein.“ Was bedeutet „Mensch sein“ für dich?

Valerie Huber: Wieder solidarisch zu sein. Achtsam mit unserer Umwelt und miteinander umzugehen. Nicht mehr zu nehmen, als wir brauchen und aktiv Gutes zu tun.

In diesem Satz schwingt auch mit, dass wir Gemeinschaft brauchen. Hast du den Eindruck, dass gerade die junge Generation den Sinn dafür verloren hat – oder vielleicht sogar neu entdeckt?

Ich denke, es ist heute schwer, ein echtes „Wir“-Gefühl herzustellen. Das hat auch mit der gespaltenen, entfremdeten Gesellschaft zu tun. Wir wurden dazu erzogen, egozentrisch zu denken – immer höher, weiter, schneller – der oder die Beste in allem zu sein. So funktioniert der neoliberale Kapitalismus. Wir müssen wettbewerbsfähig sein und das spaltet natürlich mehr, als es verbindet.

Du schreibst über die „Generation FOMO Sapiens“*. Welche Generation ist damit gemeint?

Ich schreibe vor allem über die Gen Z, aber auch die nachfolgenden und vorherigen Generationen sind gemeint. Wir sind entfremdet und ängstlich geworden, empfinden Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit – ein logisches Gefühl in Zeiten von multiplen Krisen und Unsicherheit. Alte weiße Männer verspielen gerade unsere Zukunft, die sie nicht mehr erleben werden. Wir schon und wir müssen das alles mal ausbaden und stemmen – das ist eine enorme Verantwortung, weil die Generationen vor uns zu kurzsichtig agiert haben.
Cover des Buches

Zum Buch

In „FOMO Sapiens – Verpassen wir die heile Welt?“ stellt sich Valerie Huber 34 Fragen, die sie nachts wachhalten. In ehrlichen, pointierten Essays beleuchtet sie Themen wie den „digitalen Alptraum“ Social Media, Klimawandel und soziale Ungleichheit. Dabei bleibt sie hoffnungsvoll und zeigt: Wir können handeln – mit konkreten Ideen, um Vertrauen in die Zukunft zu gewinnen und sie aktiv mitzugestalten.

„FOMO Sapiens“ erschien Anfang 2025 im Goldegg Verlag und ist auch als Hörbuch erhältlich.

Was hilft gegen dieses Gefühl der Ohnmacht?

Ihr ganz akut entgegenzuwirken, indem man aktiv wird. Mit meinem Buch möchte ich wachrütteln und aufzeigen, was alles schiefläuft und was wir dagegen tun können. Wir müssen raus aus der Schockstarre und rein in den Kampfmodus. Wir müssen laut sein, für die richtigen Werte einstehen und so oft wie möglich darüber reden. Themen wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen wieder cool und „sexy“ werden – weil sie uns alle betreffen.

Du bist in Uganda und Côte d’Ivoire aufgewachsen. Welche Erinnerungen begleiten dich bis heute?

Die Lebensfreude, die Wärme und die Menschlichkeit. Menschen, die materiell fast nichts besitzen, aber geben und teilen und mit Freude und Optimismus durchs Leben gehen. Und natürlich Herzlichkeit – mir wurde nie gezeigt, dass ich anders war, ich wurde liebevoll und offen aufgenommen. Das, denke ich, ist bei uns heutzutage leider anders.

Du sagst, dass du in Afrika wahre Menschlichkeit erlebt hast. Was macht diese für dich aus?

Wahre Menschlichkeit zeigt sich durch Solidarität. Es bedeutet, an die Gemeinschaft zu denken und nicht bloß egozentrisch zu handeln. Werte zu haben und Moral. Mensch sein bedeutet auch, sich so zu verhalten, dass niemand durch das eigene Verhalten zu Schaden kommt.

Glaubst du, dass uns als Menschen grundlegende Werte verbinden – unabhängig davon, wo wir leben?

Prinzipiell denke ich schon, dass Werte universell sind. Doch sie verblassen immer mehr in unserer Kultur. Wenn Wachstum und Profit das Ziel einer Gesellschaft sind, dann ist da wenig Platz für Werte – die sind da ja kontraproduktiv und fehl am Platz. Unser aktuelles System belohnt Werte-freies Agieren und führt zu einer immer größeren Entmenschlichung.

Du plädierst für mehr Solidarität – Empathie spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie können wir die Fähigkeit, sich in jemanden hineinzufühlen, stärken?

Empathie ist momentan nichts Erstrebenswertes. Wir sehen es in der Politik – wer sich emphatisch verhält, zeigt Schwäche. Empathie und Vulnerabilität müssen wieder als Stärken angesehen werden. Wenn wir mehr davon in der Politik hätten, wäre die Welt eine andere.

Nur zusammen als Einheit erlangen wir die Freiheit, wieder Mensch zu sein. Denn Mensch sein kann ich nicht allein.

Valerie Huber

Portrait von Valerie Huber


Maßnahmen zum Klimaschutz werden häufig auf das Individuum abgewälzt. Was macht das mit unserem Verständnis von Ursachen und Verantwortung?

Dieses Abwälzen von Verantwortung auf die Privatverbraucher:innen ist doch gewollt. Nehmen wir etwa den CO₂-Fußabdruck-Rechner: das war eine Marketing-Kampagne des Ölkonzerns BP, um die Schuld den einzelnen Konsument:innen in die Schuhe zu schieben und von ihren Taten abzulenken.

Dabei müssen klar die Gas- und Öl-Konzerne als die wahren Klimasünder zur Verantwortung gezogen werden. Dazu braucht es unbedingt Regulierungen und Maßnahmen auf globaler Ebene, um echte Veränderungen zu erwirken. Gleichzeitig ist es schon wichtig, dass sich jede und jeder selbst mit dem individuellen Konsum auseinandersetzt. Wie nachhaltig kann ich leben, was brauche ich wirklich und welche Auswirkungen hat mein Konsum eigentlich?

Was treibt dich an, etwas zu bewegen, und wo siehst du deine Rolle dabei?

Ich sehe es als meine Verantwortung, öffentlich auf Missstände aufmerksam zu machen und mich für wichtige Themen starkzumachen. So kann ich zumindest nach meinen Möglichkeiten aufklären, informieren und zum gemeinsamen Handeln aufrufen. Es gibt so viele Missstände auf der Welt und wir sind so privilegiert. Wir brauchen diese Veränderung so dringend und ich sehe es schon in unserer Verantwortung, etwas hierzu beizutragen.

War es dir schon immer ein Anliegen, dich zu engagieren?

Ich habe als Kind in Afrika sehr früh ein Gefühl dafür entwickelt, was soziale Ungerechtigkeit bedeutet und wie unfair die Welt ist. Deshalb war es mir schon früh ein Anliegen, etwas beizutragen und zurückzugeben. Dabei muss man betonen, dass wir im Globalen Norden ganz klar für so viele Missstände wie Armut und Hunger im Globalen Süden verantwortlich sind. Die Konsequenzen des Klimawandels, der von uns verursacht wurde, müssen andere tragen. Unter der Gier, der Unersättlichkeit und der Kurzsichtigkeit des Westens leiden die Ärmsten der Welt.

Was ist aus deiner Sicht die größte Herausforderung unserer Zeit, wenn wir eine gute Zukunft für alle schaffen wollen?

Ganz klar der Klimawandel, der gleichzeitig immer eine soziale Frage ist. Der Kampf gegen den Klimawandel ist immer ein Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit.

Wenn du deiner Generation einen Satz mitgeben könntest – einen Satz, der Gemeinschaft, Solidarität und Menschlichkeit stärken soll – wie würde er lauten?

Nur zusammen als Einheit erlangen wir die Freiheit, wieder Mensch zu sein. Denn Mensch sein kann ich nicht allein.
Portrait von Valerie Huber

Zur Person

Valerie Huber wuchs in Afrika, Wien und Washington D.C. auf, entdeckte früh ihre Leidenschaft für Schauspiel und absolvierte 2017 die Schauspielschule Krauss. Bekannt ist sie unter anderem aus Filmen wie „Pulled Pork“ und „Klammer – Chasing the line“ oder der Serie „Kitz“. Sie ist UNICEF-Ehrenbeauftragte und engagiert sich als Aktivistin für Themen wie soziale Ungleichheit und Klimaschutz.
Foto: Philine Hofmann
Portraitbild von Martina Hollauf, Team Menschen für Menschen Österreich

Martina Hollauf

Ihre Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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