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Männer stehen in einem Aufforstungsgebiet und unterhalten sich.

Durch die Augen von...

Gebeyehu Seyoum

Seit über drei Jahren ist Gebeyehu Seyoum als Projektleiter in der Region Jeldu tätig. Gemeinsam mit der Bevölkerung
arbeiten er und rund 30 MitarbeiterInnen mit vollem Einsatz daran, die Region wieder grüner und vor allem fruchtbarer
zu machen. Jahrelange Entwaldung hatte zur Folge, dass weite Flächen von Bodenerosion betroffen sind. Gebeyehu erzählt im Interview über die größten Herausforderungen und wie sich die Lage für Mensch und Umwelt in Jeldu Schritt
für Schritt verbessert:
Gebeyehu, bevor du die Aufgabe des Projektleiters in Jeldu übernommen hast, warst du für ein großes Aufforstungsprojekt im Osten des Landes verantwortlich. Was kannst du über die Erfahrungen dort berichten?

Gebeyehu Seyoum: Ich war in den Bezirken Jarso und Gursum für die Koordination von Aufforstungsprojekten und
Maßnahmen zur langfristigen Entwicklung zuständig. Dabei waren meine KollegInnen und ich mit vielen, für Äthiopien
typischen, Herausforderungen konfrontiert: Zum einen das Bevölkerungswachstum, das dazu führt, dass der Bedarf
an landwirtschaftlich nutzbarem Land immer weiter steigt. Zum anderen fiel manche Waldfläche genau diesem Bedarf
zum Opfer, wodurch die Böden weiter erodieren. Deshalb war es für uns alle ein besonderer Erfolg, dass wir
mit Wiederbewaldung und Aufforstung dieser negativen Entwicklung entgegenwirken konnten. Große Flächen wurden
durch die Bepflanzung mit Bäumen, Sträuchern und Gräsern renaturiert und konserviert, wodurch auch tiefer
liegende Gebiete vor Erosionsschäden – zum Beispiel während der Regenzeit – geschützt sind. Ein weiterer positiver
Effekt ist, dass Wildtiere wie Antilopen oder Wildkatzen in die Gebiete zurückkehren.

Warum liegt dir der Schutz der Umwelt am Herzen?

Umweltschutz ist eine Frage des Überlebens. Besonders in Ländern wie Äthiopien sind die Menschen von den langfristigen Auswirkungen fehlenden Umweltschutzes betroffen. Die Erosion der Böden, Überschwemmungen oder
anhaltende Dürren bedrohen die Existenzen der Menschen. Darum ist es so wichtig, dass Industriestaaten hier Verantwortung übernehmen. Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind eine globale Herausforderung, betreffen
aber die Lebenssituation der Menschen in ärmeren Ländern viel direkter und unmittelbar. 

Welche Erfahrungen, die du beim Aufforstungsprojekt sammeln konntest, waren für die Arbeit in Jeldu besonders hilfreich?

Das Wichtigste ist, die Bevölkerung von Beginn an in ihren Bedürfnissen abzuholen und bei der Umsetzung der Maßnahmen einzubeziehen. Nur durch die Beteiligung der Menschen ist es möglich, langfristige Erfolge zu erzielen. Wieder aufgeforstetes oder bewaldetes Land wird durch Umzäunung geschützt, muss aber neben dem nachhaltigen
Nutzen auch einen direkten für die Bevölkerung bringen. Das erzielen wir zum Beispiel durch die Gewinnung von
Futtergras oder durch Imkerprojekte in Aufforstungsgebieten, wie es auch schon in Jeldu passiert.

Welchen ersten Eindruck hattest du zu Beginn deiner Arbeit von der Situation in Jeldu?

Was mich sehr schockiert hatte, waren die Unmengen an Eukalyptus, die auch auf den Feldern gepflanzt waren. Das
Land ist generell sehr zerklüftet und anfällig für Bodenerosion. Viele Flächen waren schon verloren und es gab
auch keinerlei Schutzmaßnahmen, um der Erosion Einhalt zu gebieten. Die Familien bewirtschaften hier auch Steilhänge,
die besonders vom Abrutschen fruchtbarer Erde – zum Beispiel während der Regenzeiten – betroffen sind.
Zu Beginn meiner Arbeit hier in Jeldu war das Bewusstsein der Bevölkerung für den Schutz der natürlichen Ressourcen
auch noch nicht sonderlich ausgeprägt. Dank unserer Schulungen hat sich das im Laufe der Zeit maßgeblich
gebessert. Hier konnten wir Bewusstsein schaffen und praktisches Wissen vermitteln.
Männer stehen in einem Aufforstungsgebiet und unterhalten sich.
Gebeyehu im Gespräch mit Gemeindevertretern. Im Hintergrund ist die Erweiterung des Aufforstungsgebiets von Chaka Aba Jote zu sehen.
Welche Rolle spielt Aufforstung für die Menschen in der Region?

In erster Linie schützt sie vor Erosion und verbessert somit die Fruchtbarkeit der Böden, was sich wiederum auf die
Ernteerträge der Menschen auswirkt. Hier erfahren sie einen direkten Nutzen. Hinzu kommt der positive Einfluss auf
natürliche Quellen, die wieder Wasser führen, beziehungsweise kann die Erde wieder mehr Wasser aufnehmen. Das
ist insbesondere in Regenzeiten von Bedeutung und verhindert das Abschwemmen von Erde oder sogar Überschwemmungen.

Anfangs begegnet euch auch Skepsis seitens der Bevölkerung. Wie reagiert ihr auf dieses Zögern, die Maßnahmen
mitzutragen?


Es geht vor allem um die gezielte Vermittlung von Wissen, unter anderem in Schulungen zum Aufbau und Erhalt natürlicher Ressourcen. Die Menschen müssen die negativen Auswirkungen jahrelanger Abholzung und Erosion erkennen
und gleichzeitig lernen, wie sie dagegen vorgehen können. Die positiven Aspekte von Aufforstung und Wiederbewaldung
stellen sich dann relativ rasch ein und bestärken die Bevölkerung in der Umsetzung der Maßnahmen.

Welche Entwicklung in Jeldu bereitet dir besonders viel Freude?

Heute ist es in Jeldu ganz alltäglich, mit Gemüse vollbepackte Esel zu sehen. Das gab es früher gar nicht. Der Anbau von
Gemüse war weitgehend unbekannt. Diese Entwicklung freut mich sehr, ebenso wie die Etablierung von Terrassierungen
in der Region, oder eben die kontinuierliche Wiederbewaldung. Wir konnten fünf Baumschulen in der Region aufbauen,
wo unter anderem auch Apfelbäumchen aufgezogen werden. Das ist auch ein schöner Erfolg, den wir in Jeldu erzielen konnten: Der Anbau von Äpfeln erfreut sich bei den Bauern dank unserer Schulungen großer Beliebtheit.

Gibt es auch eine Erfolgsgeschichte, die dich persönlich sehr beeindruckt hat?


Da fällt mir als Erstes der Bauer Asefa ein, den wir seit nunmehr drei Jahren begleiten. Er und seine Frau Birki
haben an den unterschiedlichsten Schulungen teilgenommen und rasch viele der Maßnahmen umgesetzt. Besonders
stolz ist Asefa auf seine Apfelbäumchen und mit seiner recht ansehnlichen Plantage von 70 Bäumchen gilt er als
Vorbild in seiner Gemeinde. Diese Vorbildwirkung ist wichtig, weil dadurch wieder andere die Berührungsängste verlieren
und sich auch an Neuem versuchen. Das gilt auch für den Gemüseanbau, wodurch Asefa allein in einem Jahr
über 26.000 Birr in einem Jahr verdient hat! Asefa ist aber auch ein Vorreiter, was Aufforstung betrifft – auf seinem
kleinen Grundstück hat er nämlich zusätzlich auch noch 100 Baumsetzlinge ausgepflanzt. Solche Mitstreiter sind
wichtig für den Erfolg unserer Arbeit und die langfristige Entwicklung der Region.

Das Gespräch führte Martina Hollauf vom Menschen für Menschen-Team in Wien.

Ein Mann lächelt in die Kamera

Zur Person

Gebeyehu Seyoum ist seit 2017 als Projektleiter in Jeldu tätig und dort gemeinsam mit 30 MitarbeiterInnen für die Umsetzung der Maßnahmen verantwortlich. Davor zeichnete er drei Jahre lang als Projektkoordinator
für das Aufforstungsprojekt am Mount Kundudo im Osten Äthiopiens verantwortlich. Der 49-jährige Experte in ländlicher Entwicklung und landwirtschaftlicher
Beratung blickt auf langjährige Erfahrung und zahlreiche
Weiterbildungen in den Bereichen Management natürlicher Ressourcen, Forstentwicklung, Boden- und Wasser- sowie Umweltschutz zurück.
Martina Hollauf von Menschen für Menschen

Martina Hollauf

Ihre Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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zwei äthiopische Frauen bei der Hausarbeit. Eine im Vordergrund schneidet Zwiebeln auf einem Brett und im Hintergrund hält eine Frau ein Baby im Arm und blickt auf eine traditionelle Feuerstelle
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