Saatkörner des Unternehmens Seed Balls Ethiopia aus Äthiopien

Helina erzählt

Eine runde Sache

Helina, vielen Dank, dass du dir Zeit für das Gespräch genommen hast. Du bist aktuell mit dem
Aufbau deines Unternehmens „Seed Balls Ethiopia“ beschäftigt. Wie bist du eigentlich dazu gekommen, dich mit dem Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit zu beschäftigen?


Helina Teklu: Nach meinem Studienabschluss wurde mir schnell klar, dass ich gerne eigene Projekte umsetzen möchte, deshalb nahm ich mir ein Jahr Auszeit und beschäftigte mich mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Ich tauchte richtig tief in diesen Kaninchenbau ein und belegte einen Kurs im Rahmen der „Young African Leaders Initiative“. In diesem Zusammenhang habe ich verschiedene Projekte von jungen Leuten kennengelernt, die den Klimawandel in Angriff nehmen wollen und so gründete ich die Plattform „Climate Change Africa“.

Welche Ziele verfolgst du mit dieser Plattform?

Ich überlegte mir, wie ich eine Brücke zwischen diesen jungen Leuten und Expert:innen schlagen könnte. Wir haben Veranstaltungen organisiert, um einen Wissensaustausch zu ermöglichen und die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Dabei geht es mir hauptsächlich um die Lösungen, nicht nur die Probleme. Denn in den letzten 20 bis 30 Jahren wurde oft nur über die Probleme gesprochen, aber selten über die Lösungen. Sicher, es wurden Lösungen präsentiert und diskutiert. Aber haben wir sie auch wirklich umgesetzt? Es bringt nicht viel, nur darüber zu sprechen, man muss sie auch anpacken.

Ich möchte dennoch kurz die Probleme aufgrund des Klimawandels ansprechen: Mit welchen sind die Menschen in Äthiopien besonders konfrontiert?

Die Menschen stehen bereits vor vielen Problemen – durch den Klimawandel werden sie aber nochmal verstärkt. Du musst bedenken, dass fast 80 Prozent der Wirtschaft in Äthiopien von der Landwirtschaft abhängt und vor allem am Land sind die meisten Menschen Bäuerinnen bzw. Bauern. Für sie wird es immer schwieriger, sich zu ernähren. Die Auswirkungen des Klimawandels werden vor allem die jungen Menschen zu spüren bekommen. Deshalb ist es wichtig, Arbeit an der Basis zu leisten und gemeinsam etwas dagegen zu tun.
Saatkorn des Unternehmens Seed Balls Ethiopia aus Äthiopien

Dein Unternehmen „Seed Balls Ethiopia“ produziert Saatkugeln für Bäume und Gemüse – kannst du uns kurz erklären, worum geht es hier genau geht?

Die Saatkugeln bieten verschiedene Lösungen: Sie erleichtern etwa die Aufforstung in unzugänglichen Gebieten oder tragen dazu bei, die traditionelle Landwirtschaft zu modernisieren und einfacher zu gestalten. Derzeit nutzen die Menschen Ochsen oder Stöcke, um Saatgut auszubringen – gleichzeitig nehmen auch am Land künstliche Dünger überhand. Die Folge ist, dass die Fruchtbarkeit der Böden weiter abnimmt. Ich sehe nicht ein, dass jemand hungern muss, wenn es doch die Ressource gäbe, das zu ändern. Neben der Aufforstung durch Saatkugeln ist die Sicherung der Ernährung mein großes Ziel.
Was macht die Samenkugeln so besonders?

Im Gegensatz zu herkömmlichen Setzlingen muss man Saatkugeln einfach nur auf den Boden legen. Setzlinge aufzüchten und sie auszupflanzen ist generell langwierig. Eventuell brauchst du sogar ein Gewächshaus, das kostet Geld – und sie kommen meist in Plastik gehüllt, das schadet der Umwelt. Bei Saatkugeln ist das alles nicht der Fall: du mischst die Zutaten mit dem Samen und damit sind sie schon verpflanzt. Mit einer Saatkugel hältst du einen Baum in der Hand. Das ist doch eine schöne Vorstellung, oder? Hinzu kommt, dass das Saatgut in den Kugeln häufiger austreibt als bei herkömmlichen Techniken.

Was sind die Zutaten für eine Saatkugel? Sind das immer die gleichen?

Nein, es kommt darauf an, wo du sie ausbringst und was verfügbar ist. Ich nutze für meine Saatkugeln verschiedene Erden und Hühnerkot. In einem ähnlichen Projekt in Kenia wird Holzkohle verwendet bzw. die recycelten Reste davon. Die prinzipielle Technik ist aber dieselbe – sowohl bei Saatkugeln für Gemüse als auch für Bäume. Mit dem Unterschied, dass ich bei Saatkugeln für Bäume nur einen Samen, in jenen für Gemüse – je nach Art – fünf bis sieben einarbeite.

Die Saatkugeln für Gemüse klingen besonders interessant. Wie funktioniert das genau?

Du legst sie einfach auf den Boden. Das ist alles. Wichtig ist nur der Zeitpunkt – also eher am Morgen, wenn die Sonne noch nicht so stark ist. Und während der Regenzeit musst du sie nicht mal gießen. Mit den Gemüse-Kugeln habe ich sehr viel experimentiert. Was mich besonders beeindruckt hat, war das rasche Wachstum im Gegensatz zur herkömmlichen Anbaumethode. Die Gemüsekugeln sind mir besonders wichtig, weil sie zur Ernährungssicherheit beitragen können. Deshalb bieten wir auch verschiedene Gemüsesorten an, wie Spinat, Rote Rüben, Salat, Zwiebeln oder Knoblauch.

Neben den Gemüsekugeln gibt es auch Saatkugeln zur Aufforstung, insbesondere in unzugänglichen Gebieten. Was ist hier geplant?

Derzeit versuche ich so viele Kontakte wie möglich zu knüpfen und zu nutzen. Ich bin mit Unternehmen in Kontakt, die mit landwirtschaftlichen Drohnen arbeiten bzw. mit einem, das biologisch abbaubares Material herstellt. Das ist wichtig für dieses Vorhaben – denn Drohnen können auch noch so unwegsames Gelände erreichen. Es kann aber passieren, dass die Saatkugeln beim Abwurf über einer abschüssigen Fläche nicht dort landen, wo wir sie haben wollen. Das biologisch abbaubare Material kann als eine Art Anker genutzt werden, damit die Saatkugel an der richtigen Stelle bleibt.

Mit „Seed Balls Ethiopia“ möchtest du auch Arbeitsplätze schaffen – insbesondere für Frauen. Wie kam es dazu?

Im Jahr 2021 habe ich mit einer Testproduktion in einem ländlichen Gebiet begonnen und vier junge Frauen aus der Region angestellt. Ich wollte sehen, was ich damit bewirken könnte, und war stark beeindruckt: Angefangen von der Kleidung über ihren Blick aufs Leben bis hin zu ihrem Selbstbewusstsein – alles an den Frauen hatte sich innerhalb nur weniger Monate komplett verändert. Da habe ich beschlossen, ausschließlich mit Frauen zu arbeiten und ihnen so die Chance auf Veränderung zu geben.

Das Interview führte Martina Hollauf vom
Menschen für Menschen-Team in Wien

Portrait von Helina Teklu in Äthiopien

Zur Person

Helina Teklu ist Gründerin des Unternehmens „Seed Balls Ethiopia“, das mithilfe von Saatkugeln eine einfache Methode zur Aufforstung und zur Verbesserung der Ernährungssicherheit bietet. Die 33-Jährige absolvierte ihr Studium der Architektur am Äthiopischen Institut für Architektur, Bauwesen und Stadtentwicklung in Addis Abeba. Nach ihrem Abschluss widmete sie sich intensiv den Themen nachhaltige Entwicklung und Klimawandel – unter anderem im Rahmen der „Young African Leaders Initiative“. 2016 rief sie die Plattform „Climate Change Africa“ ins Leben, um junge Umweltaktivist:innen und Expert:innen zu vernetzen. Sie erhielt für ihr Engagement bereits verschiedene Auszeichnungen und Förderungen, unter anderem als „Earth Champion for Climate Change“ vom Zentrum für Klimavorhersage, ICPAC. Mit „Seed Balls Ethiopia“ plant sie neben dem Beitrag zu Ernährungssicherheit und Umweltschutz auch die Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere für Frauen.

Weitere Informationen zum Projekt findest du unter: www.seedballsethiopia.com
Portraitbild von Martina Hollauf, Team Menschen für Menschen Österreich

Martina Hollauf

Ihre Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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