
Bahritu erzählt
Mit Inspiration bewegen


Im vergangenen Jahr war Äthiopien insbesondere von zwei großen Herausforderungen betroffen: dem Krieg im Norden des Landes sowie einer der schlimmsten Dürreperioden der letzten 40 Jahre. Wir haben uns mit Bahritu Seyoum, Direktorin für die Projektimplementierung bei Menschen für Menschen, über die aktuelle Lage unterhalten und auf welche Maßnahmen die Organisation in der nächsten Zeit ein besonderes Augenmerk legen wird.
Welche Auswirkungen haben die aktuellen Herausforderungen auf die Arbeit der Organisation, insbesondere im Kontext der Projektplanung?
Bahritu Seyoum: Dürreperioden sind eine wiederkehrende Herausforderung für uns in Äthiopien. In der Vergangenheit hat sich hier zumindest eine gewisse Widerstandsfähigkeit entwickelt, was gut ist und verhindert, dass Menschen verhungern müssen. Aktuell ist die Region Somali massiv von den Auswirkungen der Dürre betroffen. Wenn du dort unterwegs bist, siehst du massenhaft Tiere, die aufgrund des Wassermangels verendet sind – eine verheerende Situation für die Menschen. Wir müssen alles tun, um die Gesamtsituation zu verbessern. Aufforstung ist eine wichtige Maßnahme, um dem Klimawandel entgegenzutreten und um dazu beizutragen, dass Grundwasser und Quellen zurückkommen und geschützt werden. Um Dürren in Zukunft zu verhindern, ist also die Anstrengung von vielen Beteiligten gefragt und es benötigt eine gezielte und systematische Planung von allen.
Was den Konflikt betrifft, war nicht vorhersehbar, welches Ausmaß er annehmen sollte und hatte in Folge auch Auswirkungen auf uns. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage mussten wir die Arbeit in einzelnen Projektregionen pausieren. Wir hoffen natürlich, dass sich die Situation bessert und wir bald ungehindert unsere Arbeit in allen Regionen fortsetzen können.
Welche Auswirkungen haben die aktuellen Herausforderungen auf die Arbeit der Organisation, insbesondere im Kontext der Projektplanung?
Bahritu Seyoum: Dürreperioden sind eine wiederkehrende Herausforderung für uns in Äthiopien. In der Vergangenheit hat sich hier zumindest eine gewisse Widerstandsfähigkeit entwickelt, was gut ist und verhindert, dass Menschen verhungern müssen. Aktuell ist die Region Somali massiv von den Auswirkungen der Dürre betroffen. Wenn du dort unterwegs bist, siehst du massenhaft Tiere, die aufgrund des Wassermangels verendet sind – eine verheerende Situation für die Menschen. Wir müssen alles tun, um die Gesamtsituation zu verbessern. Aufforstung ist eine wichtige Maßnahme, um dem Klimawandel entgegenzutreten und um dazu beizutragen, dass Grundwasser und Quellen zurückkommen und geschützt werden. Um Dürren in Zukunft zu verhindern, ist also die Anstrengung von vielen Beteiligten gefragt und es benötigt eine gezielte und systematische Planung von allen.
Was den Konflikt betrifft, war nicht vorhersehbar, welches Ausmaß er annehmen sollte und hatte in Folge auch Auswirkungen auf uns. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage mussten wir die Arbeit in einzelnen Projektregionen pausieren. Wir hoffen natürlich, dass sich die Situation bessert und wir bald ungehindert unsere Arbeit in allen Regionen fortsetzen können.

Bahritu Seyoum ist seit 2006 für Menschen für Menschen in Äthiopien tätig. Seit 2021 als Teil des vierköpfigen Management-Teams.
Aufgrund der Dürre und des Konflikts leistet Menschen für Menschen auch Nothilfe – unter anderem für 20.000 Menschen in der Somali Region. Was ist zusätzlich geplant?
Wir planen derzeit die Umsetzung psychosozialer Unterstützung für Opfer des Krieges, der viele Tausende Menschen traumatisiert hat – viele wurden missbraucht und vertrieben, Kinder verloren ihre Eltern oder wurden von ihnen getrennt. Gesundheitsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter mussten mitansehen, wie Krankenhäuser niedergebrannt wurden. Es sind nicht ausschließlich Opfer von sexueller Gewalt, denen wir helfen wollen. Geplant ist die Ausbildung von Beraterinnen und Beratern zur Betreuung der von Traumata betroffenen Menschen. Zusätzlich ist die Unterstützung von Waisen geplant sowie Hilfe für Frauen in Form von Mikrokrediten, damit sie ihr Leben neu aufbauen können. Nach aktuellem Stand sollten wir spätestens im August mit der Umsetzung der psychosozialen Hilfe beginnen können.
Diese Hilfe wird zusätzlich zur regulären Arbeit in den Projektregionen umgesetzt. Welchen Stellenwert hat diese – insbesondere in Hinblick auf die Entwicklungen in Äthiopien?
Unsere Projektarbeit ist von Natur aus dynamisch und hat sich im Laufe der 40 Jahre seit Bestehen der Organisation stetig weiterentwickelt. Viele Jahre lang haben wir einen besonderen Fokus auf den Bau von Schulen gelegt, um möglichst vielen Kindern eine gute Grundschulbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus sieht sich das Land mit dem Problem konfrontiert, dass es sehr viele junge Menschen gibt, die auch mit einem Hochschulabschluss keine Arbeit finden – speziell in den ländlichen Regionen. Wir passen unsere Arbeit immer dem Bedarf an, um Maßnahmen umsetzen zu können, die für die Menschen auch relevant sind. Unsere Prioritäten liegen derzeit bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen und bei Initiativen zum Klimaschutz, die der Gemeinschaft breit gefächerten Nutzen bringen.
Welche Art von Arbeitsplätzen wird beispielsweise geschaffen?
Das kommt auf die Gegebenheiten an – in vielen Kleinstädten im ländlichen Äthiopien fehlt es oft an grundlegenden Diensten. Deshalb ermöglichen wir unter anderem Kurse für Mobiltechnik oder Fahrzeugmechanik und statten die Absolventinnen und Absolventen mit dem notwendigen Werkzeug aus. Wir ermutigen die jungen Leute, in ihren Heimatstädten kleine Unternehmen zu gründen, wodurch das Serviceangebot in diesen Städten steigt. Zugleich haben nicht nur die Gründerinnen und Gründer einen Job, sie schaffen auch selbst Arbeitsplätze.
Wir planen derzeit die Umsetzung psychosozialer Unterstützung für Opfer des Krieges, der viele Tausende Menschen traumatisiert hat – viele wurden missbraucht und vertrieben, Kinder verloren ihre Eltern oder wurden von ihnen getrennt. Gesundheitsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter mussten mitansehen, wie Krankenhäuser niedergebrannt wurden. Es sind nicht ausschließlich Opfer von sexueller Gewalt, denen wir helfen wollen. Geplant ist die Ausbildung von Beraterinnen und Beratern zur Betreuung der von Traumata betroffenen Menschen. Zusätzlich ist die Unterstützung von Waisen geplant sowie Hilfe für Frauen in Form von Mikrokrediten, damit sie ihr Leben neu aufbauen können. Nach aktuellem Stand sollten wir spätestens im August mit der Umsetzung der psychosozialen Hilfe beginnen können.
Diese Hilfe wird zusätzlich zur regulären Arbeit in den Projektregionen umgesetzt. Welchen Stellenwert hat diese – insbesondere in Hinblick auf die Entwicklungen in Äthiopien?
Unsere Projektarbeit ist von Natur aus dynamisch und hat sich im Laufe der 40 Jahre seit Bestehen der Organisation stetig weiterentwickelt. Viele Jahre lang haben wir einen besonderen Fokus auf den Bau von Schulen gelegt, um möglichst vielen Kindern eine gute Grundschulbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus sieht sich das Land mit dem Problem konfrontiert, dass es sehr viele junge Menschen gibt, die auch mit einem Hochschulabschluss keine Arbeit finden – speziell in den ländlichen Regionen. Wir passen unsere Arbeit immer dem Bedarf an, um Maßnahmen umsetzen zu können, die für die Menschen auch relevant sind. Unsere Prioritäten liegen derzeit bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen und bei Initiativen zum Klimaschutz, die der Gemeinschaft breit gefächerten Nutzen bringen.
Welche Art von Arbeitsplätzen wird beispielsweise geschaffen?
Das kommt auf die Gegebenheiten an – in vielen Kleinstädten im ländlichen Äthiopien fehlt es oft an grundlegenden Diensten. Deshalb ermöglichen wir unter anderem Kurse für Mobiltechnik oder Fahrzeugmechanik und statten die Absolventinnen und Absolventen mit dem notwendigen Werkzeug aus. Wir ermutigen die jungen Leute, in ihren Heimatstädten kleine Unternehmen zu gründen, wodurch das Serviceangebot in diesen Städten steigt. Zugleich haben nicht nur die Gründerinnen und Gründer einen Job, sie schaffen auch selbst Arbeitsplätze.

Bahritu Seyoum beim Pflanzen von Setzlingen anlässlich der „Green Legacy“-Initiative im Juli 2021.
Ein weiteres Augenmerk liegt auf Initiativen zum Klimaschutz – welche konkreten Maßnahmen kannst du uns hierfür nennen?
Im Norden des Landes betreiben wir etwa ein großes Aufforstungsprojekt in Wogdi wo es kaum Vegetation gibt, und ganze Berghänge erodieren. Deshalb arbeiten wir uns von oben bis unten durch, bis die Hänge Schritt für Schritt bepflanzt sind und die Erde wieder Wasser speichern kann. Das ist allerdings nur ein Beispiel von vielen, bei denen es uns schon gelungen ist, weite Flächen zu schützen und wieder zu bewalden. Die Bäume verhindern nicht nur die Erosion der Erde, sie haben vielerlei Nutzen für die Menschen in den Gemeinden und entziehen der Atmosphäre CO₂, was sich positiv auf das Mikroklima in der Region auswirkt. Klimaschutzinitiativen werden allgemein immer wichtiger und beliebter – für uns haben Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Klima seit jeher einen hohen Stellenwert.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frauenförderung – wie hat sich die Situation für Frauen im Land generell geändert über die Jahre?
Dass sich die Situation für Mädchen und Frauen in Äthiopien verändert, zeigt sich zum Beispiel an den Einschulungsraten und Ausbildungsjahren. Früher verschwanden die Mädchen sozusagen aus den Klassen, wenn man über die fünfte oder sechste Schulstufe hinausging. Das hat sich deutlich geändert und trägt maßgeblich zur Stärkung der Frauen bei. Bildung ist der entscheidende Schlüssel, um Frauen mehr Möglichkeiten zu eröffnen. Wir haben schon viel erreicht, aber vor allem in den ländlichen Regionen gibt es noch viel zu tun, um Mädchen und Frauen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Im Norden des Landes betreiben wir etwa ein großes Aufforstungsprojekt in Wogdi wo es kaum Vegetation gibt, und ganze Berghänge erodieren. Deshalb arbeiten wir uns von oben bis unten durch, bis die Hänge Schritt für Schritt bepflanzt sind und die Erde wieder Wasser speichern kann. Das ist allerdings nur ein Beispiel von vielen, bei denen es uns schon gelungen ist, weite Flächen zu schützen und wieder zu bewalden. Die Bäume verhindern nicht nur die Erosion der Erde, sie haben vielerlei Nutzen für die Menschen in den Gemeinden und entziehen der Atmosphäre CO₂, was sich positiv auf das Mikroklima in der Region auswirkt. Klimaschutzinitiativen werden allgemein immer wichtiger und beliebter – für uns haben Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Klima seit jeher einen hohen Stellenwert.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frauenförderung – wie hat sich die Situation für Frauen im Land generell geändert über die Jahre?
Dass sich die Situation für Mädchen und Frauen in Äthiopien verändert, zeigt sich zum Beispiel an den Einschulungsraten und Ausbildungsjahren. Früher verschwanden die Mädchen sozusagen aus den Klassen, wenn man über die fünfte oder sechste Schulstufe hinausging. Das hat sich deutlich geändert und trägt maßgeblich zur Stärkung der Frauen bei. Bildung ist der entscheidende Schlüssel, um Frauen mehr Möglichkeiten zu eröffnen. Wir haben schon viel erreicht, aber vor allem in den ländlichen Regionen gibt es noch viel zu tun, um Mädchen und Frauen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Die Förderung von Frauen und Mädchen ist ein wichtiger Schlüssel, um Regionen langfristig zu entwickeln.
Welche Bedeutung hat es für dich persönlich, für eine Organisation wie Menschen für Menschen zu arbeiten?
Für mich ist es ein Privileg und ich möchte mit meiner Arbeit in erster Linie Mädchen dazu inspirieren, sich weiterzubilden. Denn nur so können sie ihre Zukunftsaussichten verbessern. Jede Maßnahme, die wir in den entlegenen Dörfern umsetzen, sehe ich durch die Augen der jungen Mädchen vor Ort: Wenn wir zum Beispiel einen Brunnen bauen, sehe ich ein Mädchen, das nicht mehr so weit gehen muss, um Wasser zu holen. Es kann stattdessen lernen und die Schule besuchen. Die Probleme im ländlichen Äthiopien betreffen Frauen und Mädchen besonders stark, deshalb möchte ich da sein, wo die Probleme am größten sind und mit meiner Arbeit etwas bewegen.
Das Interview führte Martina Hollauf vom
Menschen für Menschen-Team in Wien.
Für mich ist es ein Privileg und ich möchte mit meiner Arbeit in erster Linie Mädchen dazu inspirieren, sich weiterzubilden. Denn nur so können sie ihre Zukunftsaussichten verbessern. Jede Maßnahme, die wir in den entlegenen Dörfern umsetzen, sehe ich durch die Augen der jungen Mädchen vor Ort: Wenn wir zum Beispiel einen Brunnen bauen, sehe ich ein Mädchen, das nicht mehr so weit gehen muss, um Wasser zu holen. Es kann stattdessen lernen und die Schule besuchen. Die Probleme im ländlichen Äthiopien betreffen Frauen und Mädchen besonders stark, deshalb möchte ich da sein, wo die Probleme am größten sind und mit meiner Arbeit etwas bewegen.
Das Interview führte Martina Hollauf vom
Menschen für Menschen-Team in Wien.
Zur Person
Bahritu Seyoum ist als Direktorin für Projektimplementierung Teil des vierköpfigen Management-Teams im Projektkoordinierungsbüro von Menschen für Menschen in Addis Abeba. In ihrer Funktion ist sie für die Projektumsetzung in den Regionen verantwortlich. Bahritu Seyoum schloss ihren Master of Business Administration in Nairobi ab, ehe sie 2006 als Koordinatorin für Frauenprojekte bei Menschen für Menschen einstieg.
Bahritu Seyoum ist als Direktorin für Projektimplementierung Teil des vierköpfigen Management-Teams im Projektkoordinierungsbüro von Menschen für Menschen in Addis Abeba. In ihrer Funktion ist sie für die Projektumsetzung in den Regionen verantwortlich. Bahritu Seyoum schloss ihren Master of Business Administration in Nairobi ab, ehe sie 2006 als Koordinatorin für Frauenprojekte bei Menschen für Menschen einstieg.

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